Ein Buch kann auf so vielerlei Weise entstehen … Ich meine jetzt, was passiert, ehe es gedruckt wird, und ich rede nicht von mutmaßlichen Bestsellern, bei denen die Verlage nach den Übersetzungsrechten Schlange stehen. Sondern, was passiert, wenn, sagen wir, eine Übersetzerin einen Autor findet, der nicht übersetzt worden ist, von dem sie aber findet, er hätte es tausendfach verdient? So ein Autor ist Micheál Ó Conghaile, ein irischer Autor, der in irischer Sprache schreibt.
Er schreibt vor allem Kurzgeschichten und Theaterstücke, aber bisweilen auch einen Roman. Die Theaterstücke werden in Irland aufgeführt, und Micheál sackt einen Preis nach dem anderen ein. Da sollte man doch denken, es wäre kein Problem, für ihn einen deutschen Verlag zu finden … Doch wenn sie nichts lesen können, wollen die Verlage nicht einsehen, daß ihnen hier ein Genie angeboten wird. Die von ihrem Autor überzeugte Übersetzerin gibt natürlich so leicht nicht auf, kann es sich aber nicht leisten, aus purer Hoffnung einen ganzen Roman zu übersetzen. Und da liegt es doch nahe, mit einer Erzählung anzufangen.
Es gibt viele gute Literaturzeitschriften in Deutschland. Längst nicht genug, das ist eine andere Sache, die Auflagen sind auch selten so hoch, wie es ihnen zu wünschen wäre, und Honorar zahlen sie nur in seltenen Fällen. Doch es macht was her, in bestimmten Zeitschriften veröffentlicht zu haben, und so mancher Verlagsmensch, der vorher das Ansinnen, sich mit den Geschichten eines unveröffentlichten Autors aus Westirland zu befassen, weit von sich gewiesen hat. überlegt sich die Sache dann doch noch anders: „Ach, da ist das erschienen? Dann mal her damit.“
So weit sind wir noch nicht. Zwei Geschichten von Micheál Ó Conghaile habe ich übersetzt, mit zwei Geschichten ging ich hausieren. Mit der einen habe ich etwas überlebt, das ich nie im Leben erwartet hätte, nicht im Jahre 2014! Antwort einer eigentlich sehr geschätzten Zeitschrift: „Wenn er mal eine Geschichte ohne homosexuelle Problematik schreibt, melden Sie sich bitte wieder.“ Dabei hatte ich beide Geschichten geschickt, und die andere ist ganz harmlos, darin geht es nur um Heroin, aber offenbar hat die schwule Liebesgeschichte der armen Redaktion einen solchen Schrecken eingejagt, daß sie gar nicht weitergelesen haben.
Jetzt aber, jetzt ist eine Geschichte auf Deutsch erschienen. In der wunderbaren Zeitschrift Krautgarten, die zweimal im Jahr in St. Vith im deutschsprachigen Teil Belgiens erscheint. Vor einer Woche war die neue Nummer in der Post, auf mehreren Seiten nimmt Micheáls dramatische Geschichte der siebenhundert Uhren ihren Lauf, und ein Foto des Autors ist auch dabei. Die Übersetzerin freut sich wahnsinnig und will gleich zu neuen Taten schreiten, ihren Autor samt Geschichte rumreichen und dadurch für ihn neue Möglichkeiten erschließen, bis dann demnächst endlich ein Buch von ihm auf Deutsch erscheinen kann. Und dann der Schock: Bei allen übersetzten Texten in der aktuellen Nummer ist – natürlich, darauf achten sie sonst bei Krautgarten ganz penibel – angegeben, wer übersetzt hat. Nur nicht bei der Geschichte „Siebenhundert Uhren“ von Micheál Ó Conghaile.
Nach einer Woche ist der Schock dann etwas abgeklungen. Bald werde ich mit meinem Autor hausieren gehen.
Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig
Das sind ja ausgesprochen gute Nachrichten von Euch beiden! Ich hoffe, dass Dein Artikel auf meinem Blog, liebe Gabriele, dazu ein wenig beitragen konnte, auch wenn Du Umtriebige bestimmt noch viele andere Wege gegangen bist, z.B. den mit Dir, liebe Karin 🙂
Immerhin wird im nächsten Frühjahr eine Erzählung von Micheál Ó Conghaile bei uns erscheinen, und zwar in einer besonderen Anthologie. Darauf freuen wir uns. In dieser Sammlung werden vier Erzählungen/Geschichten von vier AutorInnen aus dem keltischen Raum erscheinen, die für Kurzgeschichten zu lang und für Novellen zu kurz sind, aber so wunderbar, dass sie unbedingt veröffentlicht werden müssen.
Seit dieser Beitrag erschien, ist beinahe ein Jahr vergangen. Ob sich inzwischen ein deutscher Verlag dieser literarischen Perle annimmt?
Jein, liebe Evelyn, es wird immerhin eine lange Erzählung von ihm erscheinen, in einem Sammelband, aber erst im Frühjahr, im Verlag Edition Narrenflug in Kiel. Das ist schon mal gut, aber inzwischen sind zwei Romane, die er verlegt hat, an einen deutschen Verlag vermittelt worden. Das hilft ihm als Autor nicht, aber für ihn als Verleger ist es wunderbar. Es sieht also gar nicht so schlecht aus!