Als das Weihnachtsbuch erschienen war, als kurz vor Weihnachten alle Lesungen vorüber waren, als ich zuerst gedacht hatte, nie wieder eine Anthologie, als also alles war wie immer, da fand ich eine kleine Weihnachtsgeschichte. Oder vielleicht keine Geschichte, eher eine Glosse oder eine Fabel, nach deren Weisheit wir hinfort leben sollen. Egal was, ich war so begeistert von diesem kleinen Text, daß ich ihn ganz oft lesen und dann übersetzen mußte. Und jetzt denke ich, DAS wäre ein schönes Projekt: vielleicht fünfzig solcher kurzer Geschichten, die alle Aspekte des Weihnachtsfestes beleuchten und uns im weihnachtlichen Alltag ein Trost und eine Stütze sind.
Der Anfang ist gemacht. Ich brauche nur noch einen Verlag und neunundvierzig ebenso schöne Fabeln. Das wird ja wohl zu machen sein. Ich werde berichten. Aber hier ist die Geschichte, die alles ausgelöst hat!
Sie stammt von einer norwegischen Emerita, wie sie selbst sagt (die Uni bezeichnet sie als „Emeritus“), einer Professorin der Sozialpsychologie. Sie heißt Anbjørg Ohnstad und schickt ihre Grüße.
Weihnachtsfest oder Julopfer?
Die alljährliche Weihnachtsfeier am Arbeitsplatz, wo Frauen in der Mehrzahl waren, hatte längst begonnen. Das Festmahl war aufgetischt, die Festansprache des Dekans gehalten, die Weihnachtslieder gesungen worden. Die Alphamännchen ließen ihre Blicke durch die Menge schweifen, wer war die Auserwählte, mit der sie sich an diesem Abend auf der Tanzfläche tummeln wollten?
Eines der ältesten Alphamännchen in der Schar, eines, das die Geschlechtsreife schon längst hinter sich hatte, eigentlich überreif war, fast schon Fallobst, hatte zu seiner Freude die Jüngste aus der Gruppe der Weibchen als Tischdame bekommen. Und sie war nicht irgendwer, mit ihrem exotischen Hintergrund und ihrem großen Interesse an seinem Fachgebiet. Was für ein Geschenk! Sie war zudem belesen und hatte fast alle seine Bücher in tiefer Bewunderung verschlungen. Das hier war ihre erste Weihnachtsfeier, und sie war natürlich unsicher, was geschriebene und ungeschriebene Gesetze anging.
Wenn in diesem Fachbereich mit seiner Mehrzahl an Frauen auf einer Weihnachtsfeier getanzt wird, ist es natürlich und sinnvoll, dass Frauen miteinander tanzen. Das Alphamännchen kann sich schließlich nicht mit allen befassen und hat zudem seine Auserwählten.
Das älteste Alphamännchen war unter den Weibchen wegen seiner Weihnachtsfestmanieren seit Jahren wohlbekannt, und sie hielten ihn unter scharfer Beobachtung. Die Weibchen brauchten nicht zu sprechen, ihre Instinkte waren gutentwickelt.
Der Tanz hatte begonnen und mit etwas Alkohol war es nicht schwierig, allein oder nur halbwegs zusammen zu tanzen. Weibchen können sich diese Art von lockerem Gruppentanz erlauben, die Alphas halten lieber ihre Auserwählte in festem Griff. Es war aber unmöglich, die große Schar von Weibchen unter Kontrolle zu halten.
Die Stimmung war gut und ausgelassen. Das Alphamännchen drückte seine junge exotische Schöne dicht an sich, so dass sie spüren konnte, wie sehr er ihre Bewunderung schätzte. – Es ist derselbe Alpha, der einer unserer neuen Professorinnen zum Titel gratulierte und hinzufügte, wie sehr er ihre Weiblichkeit zu schätzen wisse. Sie hatte die schließlich bewahren können, obwohl sie Professorin geworden war!
Die Weibchen sehen, was passiert, und ergreifen Gegenmaßnahmen. Sie fordern das Alphamännchen zum Tanz auf. Ich hielt mich weise zurück. Ich hatte es früher einmal versucht und mir sagen lassen müssen, er könne nicht mit Frauen tanzen, die er sexuell nicht attraktiv findet. Die Weibchen ziehen ihre junge schöne Kollegin zu einem lockeren Gruppentanz auf die Tanzfläche, sie schneiden das Alphamännchen ab von der, wie er geglaubt hat, frischen Beute. Leicht verwirrt schaut er sich um, aber sie ist seinem feuchten Zugriff entronnen. Sie ist von anderen Weibchen und Nicht-Alphas umringt, die bilden einen Wall um sie. Sie ist erleichtert, wie hätte sie sonst entkommen können?
Der Abend neigt sich dem Ende entgegen, draußen fällt der Schnee in Fußspuren, die im Schnee zu sehen sind, einige große Schuhe, einige kleine, aber keine dicht nebeneinander.
#MeToo oder nur ein ganz normales Weihnachtsfest, aus dem leicht ein Julopfer hätte werden können?
Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig
Das ist ein interessantes Projekt und ich könnte mir vorstellen, etwas Lyrik beizusteuern. Viele herzliche Grüße, Ellen
Gerade entdeckt und gelesen: Hannah Fricke bringt das Dilemma mit der Abhängigkeit vom Job und dem verletzten Stolz von Männern bei abweisendem Verhalten so gut auf den Punkt
https://www.wuv.de/agenturen/metoo_oder_die_weinsteins_in_der_werbebranche
„Die Zeit für Sexismus und sexuelle Übergriffe ist vorbei: Unter diesem Motto haben 300 Hollywoodgrößen die Initiative ,Time’s Up‘ gegründet. Sie wollen betroffenen Frauen unter anderem mit 13 Millionen Dollar helfen“, schreibt der SPIEGEL – http://www.spiegel.de/panorama/leute/time-s-up-hollywoodstars-starten-initiative-gegen-sexuelle-belaestigung-a-1185802.html – Ich bin gespannt auf die weiteren gute Folgen, die #metoo zeitigen wird 🙂