Wie die Welt miteinander Geschäfte macht. So heißt Rolf Neijmans Buch, bei dem ich ihn unterstützen darf. Das Werk, es soll noch 2016 erscheinen, hat zwei Besonderheiten: Der Inhalt ist großartig (das sage ich als parteiischer Beteiligter voller Stolz), und das Buch wird auf Stein gedruckt.
Dabei handelt es sich aber nicht um ein in Stein gemeißeltes Werk, das uns an Asterix’ Kampf mit der römischen Bürokratie erinnert. Denn Neijmans Buch wird ein Papierbuch sein, doch dieses Papier besteht aus Stein.
Für gedruckte Bücher werden Bäume gefällt. Die Papierproduktion belastet Ökosysteme, reduziert die Artenvielfalt und verletzt Menschenrechte. Weltweit werden jeden Tag rund eine Million Tonnen Papier verbraucht. Es gibt zwar genug Papier, schließlich ist die Produktion über ökonomischen Mehreinsatz skalierbar. Dumm nur, dass die benötigte Menge nicht mehr sozial und ökologisch produziert werden kann. Jeder Bundesbürger verbraucht im Schnitt etwa 235 Kilogramm Papier im Jahr. Umgerechnet hat also jeder von uns pro Jahr fünf Bäume auf dem Gewissen, da kommt in einer Familie über die Zeit ein richtiges kleines Wäldchen zusammen. Dazu verschlingt unser Papierbedarf jährlich etwa 1.200 Kilowattstunden Energie und rund 15.000 Liter Wasser.
Das muss nicht sein. Wenn das Buch von Rolf Neijman dereinst gedruckt sein wird, hat er dafür keinen einzigen Baum auf dem Gewissen. Weil es auf Stein gedruckt wird. Erst seit kurzer Zeit ist dieser neue Bedruck- und Verpackungsstoff mit Namen Rockpaper auf dem Markt. Und Rockpaper wird aus Stein gemacht. Der dafür verwendete Kalkstein ist das fünfthäufigste Element der Erde und oftmals ein Abfallprodukt aus der Bauindustrie. Dieser Kalkstein wird in mehreren Durchgängen zu feinem Staub zermahlen und mit Polyethylen als Bindemittel unter hohem Druck zu Papier verarbeitet. Es kommt ohne Säuren und Bleichmittel aus, kein Baum wird dafür gefällt, kein Trinkwasser verbraucht, um es herzustellen. Der Prozess entspricht dem Cradle-to-Cradle-Grundsatz, der Kreislaufwirtschaft, in der die Produktionsweise am Erhalt der geschöpften Werte ausgerichtet ist.
Cradle-to-Cradle
Cradle-to-Cradle, abgekürzt C2C, lernte Rolf Neijman auf dem Entrepreneurship Summit in Berlin durch Prof. Dr. Michael Braungart kennen. Der lebt und lehrt in Rotterdam und propagiert eine ökologisch-industrielle Revolution. Rockpaper ist weiß wie sein Ausgangsstoff Kalk, biegsam wie normales Papier, aber reißfester. Man kann prima darauf schreiben, ohne größere Folgen Kaffee, Cola und Rotwein darüberkippen – denn es ist wasserfest.
Sollte ein Leser das Buch auswendig können und es danach verbrennen wollen, entstehen keine giftigen Gase, es bleibt nur ein Häuflein Steinpulver zurück. Muss es im Freien verrotten, zerfällt es wie Eierschalen. Dieses Buch vergiftet also kein Grundwasser, kann schadstofffrei in die Natur zurückgehen und ist endlos wiederverwertbar.
Cradle-to-Cradle ist der Gegenentwurf zu praktisch allem, was derzeit ökologisch und ökonomisch gemacht und vor allem gedacht wird. Es geht darum, weniger Energie und CO2 zu verbrauchen, alles neu zu erfinden, um anders und besser zu produzieren.
Wer eine Lampe einschaltet, sagt Braungart, „will nicht 100 Watt Energie, sondern Licht, um ein Buch zu lesen“. Was sich nach einer utopischen Idee anhört, wird immer mehr zur unserer Realität werden. Im Sinne der Cradle-to-Cradle-Philosophie lässt sich aus jeder Anwendung etwas Neues entwickeln.
Der Autor Guido Augustin schreibt u.a. über tolle Texte, mehr Geschäft und ein schöneres Leben. Klarheit ist sein Thema. „Guidos Wochenpost“ kann hier als Podcast abonniert werden.
Abb.: pixabay.com © macfly
aktualisiert am 30. Sept. 2023
Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig