Ich erfuhr, dass Gabriele Haefs vor gut zwei Jahren über Eimar O’Duffy und seine sich anbahnende Wiederentdeckung in einer irischen Zeitschrift las und darüber den Kröner Verlag informierte. Denn der Verlag hatte zuvor bereits zwei von Gabriele übersetzte Bücher von Michael Ó Cadhain in seiner Reihe „Moderne Klassiker bei Kröner“ veröffentlicht. Über „Grabgeflüster“ gibt es auf diesem Blog zu lesen, nicht jedoch über „Der Schlüssel“.
Im Oktober wurde ich mit dem frisch erschienenen Roman „King Goshawk und die Vögel“ überrascht, erhielt ihn von der Verlagslektorin Dr. Julia Aparicio Vogl im Auftrag von Gabriele mit dem Zusatz: „Über eine Besprechung würden wir uns freuen.“
Als Leseratte hatte ich natürlich noch ein anderes recht dickes Buch vor der Nase, war aber gleich wegen des Titels, der liebevollen Aufmachung und der interessanten Autorenbeschreibung voller Vorfreude auf die neue Lektüre: „Eimar Ultan O’Duffy (1893–1935) wurde in Dublin geboren und studierte in Dublin und Lancashire. Zunächst Mitstreiter, dann Kritiker der irischen Unabhängigkeitsbewegung, torpedierte er die Pläne für den Osteraufstand von 1916. 1925 ging O’Duffy nach England. Als Mann zwischen den Stühlen starb er 1935 in einem Vorort von London. Bezeichnet wird er als Missing Link zwischen Jonathan Swift (Gullivers Reisen) und Flann O’Brien (Auf Schwimmen-zwei-Vögel).“
Gabriele Haefs hat das Buch aus dem Englischen übersetzt und darüber hinaus zum Text einen segensreichen ausführlichen Anmerkungsapparat geschrieben! – Erstmals erschien „King Goshawk and the Birds“ 1926 bei Macmillan Company in London.
Die Geschichte zog mich sogleich auf ihren ersten Seiten in ihren Bann. Sie ist mitreißend und brachte mich mit ihren satirischen Überzeichnungen oft zum Lachen. – Andererseits stimmt sie sehr nachdenklich:
Es entstand vor meinem inneren Auge zunächst eine märchenhafte Welt, in der ein von einem Philosophen wiederbelebter Held der irischen Mythologie gegen den Tyrannen King Goshawk vorgehen soll, um den Menschen, die – wenn nicht herrschend, Staatsdiener oder Fabrikbesitzer – in der Mehrzahl ausgebeutet, angepasst und schweigend hinnehmend sind, das kostenlose Vergnügen an Vogelgesang wiederzubeschaffen. Um diesen Plot rankt sich in poetisch überspitzter Erzählweise eine wilde Abfolge von Begegnungen, Gesprächen, Kämpfen und Erkenntnissen …
In meinem Kopf ging es rund: Ist es doch ein Science Fiction, den ich lese? Nein, es ist als ob ich eine satirische Gegenwartsbeschreibung von Politik und Wirtschaft vor mir habe. Au weia, der Roman ist doch beinahe 100 Jahre alt. Leben wir immer noch in der Vergangenheit? Ja und nein. Denn wir erleben in einer globalisierten Welt eine nur technisch überholte Fortsetzung der alten Wirtschaftsstrukturen, wo über Privatisierung von Wasser und Patentierung von Pflanzen die Rede ist. Also, schon deshalb ist dieser köstliche Roman brandaktuell!
Ich bin begeistert von Eimar O’Duffy, diesem brillanten Denker und Geschichtenerzähler! Mehr zum Autor und zum Buch im Kröner Verlag.
Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig