Schon 1991 hatte ich bei der zu Klampen’sche Verlagsbuchhandlung in Lüneburg das überaus nützliche Sachbuch von Ralf Plenz „Wie mache ich mich mit einem Verlag selbständig“ in der zweiten überarbeiteten Auflage von 1990 für eine Beratung erworben. Und nun begegneten wir uns auf Facebook, wobei ich seine „Perlen der Literatur“ kennenlernte. Ich wollte mehr über das große Spektrum seines Schaffens wissen. Nebenher bekam ich mit, dass er schon vor rund 30 Jahren ohne sie zu treffen im Metta Kinau Verlag mit Gabriele Haefs zusammenarbeitete, dass er wie sie aus Bad Godesberg kommt, in Bonn studierte und jetzt in Hamburg lebt und arbeitet. Mehr im Folgenden …
Herr Plenz, nach Ihrem Studium der Medienpädagogik arbeiteten Sie wie ich erfuhr quasi rund ums Buch zunächst als Drucker, dann als Buchgestalter, Zeichner, Fotograf, Medien-Lehrer und -berater, Belletristik- und Fachbuchautor, Podcaster und seit neuestem als Verleger mit einem ausgesprochen bibliophilen Programm. Hatten Sie schon als Kind an die Arbeit mit Büchern gedacht?
Dem Medienbereich bin ich immer treu geblieben. Ich wurde 1955 geboren und als Schulkind, das gerne und viel gelesen hat, antwortete ich nach Aussage meiner Geschwister und Eltern auf die Berufswunschfrage gerne: „Professor“. Immerhin landete ich in den 1990er Jahren auf Platz zwei der ausgewählten 12 Bewerber um eine Professur für Buchherstellung an der Hochschule der Medien (HdM) in Stuttgart.
Während meiner Zeit bei einer Schülerzeitung habe ich bereits Headlines kalligrafisch mit einem Rapidografen gestaltet und das Klebelayout für den Offsetdruck gemacht. Und nach dem Studium arbeitete ich über 40 Jahre in den von Ihnen aufgeführten Bereichen des grafischen Gewerbes bevor ich mich nun dem Verlegen bibliophiler Bücher zuwandte.
Wo sehen Sie den Unterschied zwischen gedruckten und digitalisierten Texten? Was motiviert Sie zum Verlegen der „Perlen der Literatur“?
Nach meinen Erfahrungen mit digitalen und analogen Texten wirkt auf die Merkfähigkeit bei meinen Schülern und Studenten bezogen am weitreichendsten das Buch. Danach folgen handschriftliche Texte, dann Kopien und am schlechtesten schneiden digital vorliegende Texte ab. Hier geht es also um Haptik, Optik und Auffindbarkeit. Natürlich meine ich auch: Bücher können schon aus Archivgründen durch nichts ersetzt werden. Ach ja: Genusslesen gibt es ausschließlich bei Büchern.
Doch da sich der Medienkonsum mehr ins Bewegtbild und Digitale verlagert, sehe ich eher eine Aufwertung von gut gemachten Büchern kommen – allerdings für zunehmend weniger Leser. In diese Richtung geht auch meine neue Buchreihe „Perlen der Literatur“ im Input-Verlag.
Was haben Sie in der Buchreihe „Perlen der Literatur“ für die Sammler und Bibliophilen vor?
Seit diesem Monat, also Februar 2022, sind zwei Vorzugsausgaben mit besonderen Beigaben lieferbar: Gold und Platin. Das sieht man sehr schön an den Fotos, dass es numerierte und signierte Exemplare gibt, denen eine signierte Kalligrafie, Lesezeichen, individuelles Einpackpapier und ein Aquarell beigelegt werden. Details zu den Vorzugsausgaben findet man hier, auch unter @perlenbibliothek auf Instagram und Facebook.
Eigenständigkeit im Publizieren zeichnet Sie aus. Kam es für Sie je in Betracht, unter die gesicherten Fittiche einer der großen Verlage zu wechseln?
Buchautor war ich immer nur nebenberuflich. Die ersten zwei von acht Titeln erschienen in den namhaften Verlagen Rentrop (Bonn) und Beruf + Schule (Itzehoe). In dem von mir eigens für einen Ratgeber gegründeten Input-Verlag habe ich 20 Jahre lang mit 60 Autoren das Loseblattwerk „Verlagshandbuch“ herausgegeben, das rund 6.000 Seiten Umfang erreichte. Diese Konstruktion war die ideale Kombination, als Berater und Referent eine sehr gute Reichweite in der Verlagsbranche zu erzielen – bei einer guten Rendite im Selbstverlag. Da blieb keine Zeit, etwas nebenher für größere Verlage zu publizieren. Doch Veröffentlichungen in Fachzeitschriften behielt ich all die Jahre bei.
Sehen Sie sich als glücklichen Menschen?
Optimist, der ich bin: Ja, so sehe ich mich.
Gab es Tiefpunkte in Ihrem Leben? Und wenn ja, welche?
Es gab durchaus Phasen bei Buchproduktionen, die nicht optimal liefen. Da wurde schon mal das Papier in der falschen Laufrichtung bestellt, zu früh bei Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen verarbeitet oder dem Buchbinder fehlerhafte Angaben geliefert. Ach ja, einmal wurden 5 Tonnen eines Spezialpapiers nicht bestellt und folglich konnten einige tausend vorbestellte Bücher erst in der Nachweihnachtszeit ausgeliefert werden. Das alles war zu zahlendes Lehrgeld und liegt schon Jahrzehnte zurück.
In meiner Romantrilogie „Großstadt-Oasen“ von 2019 habe ich kleinere Elemente davon humorvoll dargestellt und belletristisch verfremdet niedergeschrieben. Diese drei Bücher haben einen „offenen Rücken“ und somit ein optimales Aufblätterverhalten. Zudem haben sie Ausstanzungen, und die 2-Millimeter-Buchdeckelpappe wurde im Siebdruck bedruckt und Texte mit Glanzfolie tiefgeprägt.
Welche Lieblingsbücher von fünf Lieblingsautoren oder -autorinnen könnten Sie nennen?
Die Auswahl fällt mir sehr schwer. Die hier genannten Titel sind alle neueren Datums, ausgesprochen schön gestaltet und im Wiederverkauf bereits wertvoll.
- Jeffrey Abrams, Doug Dorst: S – Das Schiff des Theseus, Kiepenheuer & Witsch, 2015
- Kazuo Ishiguro: Was vom Tage übrig blieb, Büchergilde Gutenberg, 2021
- Danilo Kiš: Die Enzyklopädie der Toten, Wallstein Verlag 2017
- Gilbert Sorrentino: Mulligan Stew, Vorzugsausgabe im Maro-Verlag, 1997
- Joseph Moncure March, Zeichnungen von Art Spiegelman: Das wilde Fest, Rowohlt, 1995
Und darüber hinaus alle Bücher im Bleisatz aus der Reihe „Die andere Bibliothek“, die Hans Magnus Enzensberger mit dem Verleger und Buchgestalter Franz Greno ab 1984 begründete.
Haben Sie eine große private Bibliothek? Und wissen Sie, wieviele Bände Belletristik und Sachbücher sie umfasst?
Vor einiger Zeit habe ich ohne Differenzierung bei 4.000 Bänden aufgehört zu zählen. Viele habe ich dann gestiftet, verkauft oder verschenkt. Aktuell sind es weniger als 2.000 Bücher, es kommen aber wöchentlich welche dazu.
Für meine Reihe „Perlen der Literatur“ habe ich über 100 Bände antiquarisch bestellt, teilweise wunderschöne und einmalige Ausgaben. In den letzten zehn Jahren sind kaum noch Sachbücher dazugekommen, sie veralten zu schnell. Zudem müssen Lager- und Platzprobleme jährlich neu überdacht und Entscheidungen gefällt werden.
Welchen Büchern gehört Ihre bibliophile Sammelleidenschaft?
Sie gehört Erstausgaben bemerkenswerter europäischer Autorinnen und Autoren.
Wenn es eine Zeitmaschine gäbe, würden Sie gerne bestimmte Lebensabschnitte aus der Vergangenheit anders leben?
Nein, ich bin ein zufriedener Mensch und genieße die jeweilige Jetztzeit – schon immer.
Welcher Tag war Ihr schönster Tag im Leben?
Den gibt es so nicht. Neben privaten Höhepunkten sind es auch immer die Tage, wenn ich von mir produzierte Bücher erstmalig in der Hand halte, egal ob als Druckbogen, Aushänger oder Handexemplar des Buchbinders.
Vielen Dank für dieses interessante Gespräch, Herr Plenz!
Im Dezember 2022 beantwortete ich Ralf Plenz, Fragen zu seinen interessanten Buchveröffentlichungen im Input-Verlag, insbesondere zur Trilogie „Großstadt-Oasen“, seines eigenen Roman-Debüts, von dem mich jeder Band auf je eigene Art faszinierte, weil dort in der Alternativ-Szene in Hamburg-Ottensen etliche Parallelen zu meinem Studenten-Leben in Lüneburg in den 80er Jahren aufschienen. Dieses Gespräch ist das letzte seiner bis Januar 2023 167 erschienenen Podcast-Folgen „Der Büchermacher“.
Auch meine Gastautorin Gabriele Haefs hat mit ihm 3 interessante Gespräche geführt, siehe Folgen 135, 156 und 157.
Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig