Es ist schon ein phantastisches Gefühl, ein Buch mit einer selbstgeschriebenen Kurzgeschichte in der Hand zu halten – (und natürlich kurz darauf auf dem Konto zu sehen, dass für die Kurzgeschichte sogar bezahlt worden ist!), noch dazu für eine, die sonst andrerleuts Kurzgeschichten übersetzt. Und diese Geschichte sollte eigentlich gar kein literarisches Werk sein, sondern war eher als Jux gemeint. Sie ist nach einem Seminar in Wales entstanden. Dabei ging es um Minderheitensprachen, und wir hatten abgemacht, dass alle Sprachen erlaubt seien, nur nicht Englisch. Das war sehr lustig, aber es gab dann in einem Hotel ein Essen für alle Beteiligten, und da wurden furchtbare Gedichte vorgetragen, noch dazu auf Englisch!, und es gab nichts zu trinken. Oder, genauer gesagt, es gab pro Gast 2 Glas Wein (0,1) und zwei Glas Wasser (0,2), und dann nichts mehr. Das ist die Kernszene, um die ich meine Geschichte spann, und von der jedes Wort wahr ist. Der Micheál, von dem hier die Rede ist, ist nicht nur Verleger, sondern auch Autor, Micheál Ó Conghaile, und ich versuche, seine Kurzgeschichten auf Deutsch unterzubringen, darüber hab ich hier auf Schwarzaufweiss auch schon berichtet.
„Micheál, ein irischer Verleger, erspähte einen Kellner, der zaghaft um die Ecke lugte, und bat um eine Flasche Mineralwasser. Das Wasser kam – nach langer Zeit –, und wir packten den Kellner und forderten eine Flasche Wein. Der Wein kam – nach langer Zeit – zusammen mit der Rechnung für das Wasser. Micheál studierte sie stirnrunzelnd und sagte dann: „Nie im Leben bezahl ich das.“ Bei edlem alten Maltwhiskey sei dieser Preis zweifellos angemessen, aber nicht bei einer Flasche schnöden kymrischen Mineralwassers Marke Ty Nant. Verschreckt zog sich der Kellner zurück, nie erfuhren wir, was der Wein gekostet hätte, und zu trinken gab’s nun endgültig nichts mehr.“
So war das, und der Rest der Geschichte hat mit diesem traumatischen Erlebnis zu tun, und mit den Versuchen, doch etwas zu trinken aufzutreiben, am nächsten und am übernächsten Tag. Ich wollte an den wunderbaren schottischen Sänger Josh Macrae (1933–1977) erinnern, weil der einen runden Geburtstag gehabt hätte, und so wurde auch er in die Geschichte eingebaut. Es ist eben eine Geschichte und kein strikter Tatsachenbericht. Aber wie gesagt, ich hatte das alles nur aus Jux so aufgeschrieben und eigentlich auch gar nicht mehr daran gedacht. Aber dann erzählte eine Verlagsfrau, dass sie in Wales gewesen sei, und sie habe dieses Land ja noch wilder und geheimnisvoller gefunden als Irland, und die walisische Sprache erst! Und also, weiterhin aus Jux und weil ich dachte, das bringt ihr dann Erinnerungen an ihre Reise nach Wales, schickte ich ihr meine Geschichte. Fast postwendend kam ein Verlagsvertrag, und jetzt ist das Buch da, und ich finde, meine Geschichte macht sich darin sehr gut. Ich glaube ja nicht, dass ich das Übersetzen aufgeben und mich aufs Geschichtenschreiben verlegen werde, aber dennoch … es macht Spaß!
Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig.