Bratach Bana, das Lied von der Weißen Fahne, die auf Skye hängt und auch in Büchern von Compton Mackenzie vorkommt. Es singt Dick Gaughan.
Im Moment wird viel nach Schottland gereist, auf die Britischen Inseln überhaupt, das hängt mit dem Pfundkurs zusammen, aber egal. Viele Reisende fragen in den sozialen Medien: Was soll ich lesen, wenn ich nach Schottland fahre? Und immer gebe ich die eine selbstverständliche Antwort, aber am Ende lesen alle doch ganz moderne Krimis, und damit hat sich’s. Dabei finde ich meine Antwort perfekt: Lest Compton Mackenzie, dann kriegt ihr das perfekte Hochland- und Inselgefühl und außerdem eine Einführung ins Gälische.
Das sollte doch als Empfehlung reichen? Mein erstes Buch von ihm habe ich mit vierzehn gelesen, war noch nie in Schottland gewesen, aber danach war alles klar: Hin, sobald es irgendwie möglich ist, und: Gälisch lernen, sobald es irgendwie möglich ist. Und das, obwohl ich ihn auf Deutsch gelesen hatte, und wie ich nachher feststellte, waren die Übersetzungen sehr betulich und brav. Vieles Gälische war rausgekürzt oder eingeenglischt, sicher, um die zarten Nerven der Lesenden zu schonen. Doch aus Mac ’ic Eachainn einen schnöden Hector McDonald zu machen, das grenzt schon an ein Verbrechen (seit es mir passiert ist, daß ein Verlag erbarmungslos die in einem Roman vorkommenden walisischen Wörter rausgestrichen hat, um das hiesige Publikum nicht zu verwirren, werde ich mich natürlich hüten, der Übersetzerin, Elisabeth Schnack, irgendwelche Vorwürfe zu machen). Also, Compton Mackenzie auf Englisch lesen. Oder neu übersetzen lassen, das wär’s doch.
Sir Compton, genauer gesagt, er wurde nämlich geadelt, besuchte dann auch einmal eine Sitzung im Oberhaus, mußte sich dort anhören, er habe den britischen Adel lächerlich gemacht, kam lächelnd heraus und sprach: „Da hat man doch einmal im Leben etwas richtig gemacht!“ Eigentlich stand ja schon bei seiner Geburt fest, daß aus dem Knaben nichts werden könnte. Als nämlich ein Trupp von Schauspielern, zu denen auch seine Eltern gehörten, mit einer Fähre über den Fluß Humber setzten, rief der Fährmann auf die Frage, was er denn für Fahrgäste bringe: „Nowt but lakers and dung.“ Dung braucht sicher nicht übersetzt zu werden, lakers ist ein sehr seltenes nordenglisches Dialektwort nordischen Ursprungs und bedeutet Gaukler, und damit konnte unser Held sich zeitlebens identifizieren. Obwohl der kleine Compton (voller Name Edward Montague Compton Mackenzie) erst kurz nach dieser Fährfart geboren wurde, erweckte das in ihm wohl die Liebe zu seltenen Wörtern, egal, ob Englisch oder Gälisch. Schon ein Grund, ihn zu lesen. Sein Leben bietet Stoff zu allerlei Romane, die er allerdings nicht geschrieben hat. Er schrieb über hundert Bücher, darunter Schwulenklassiker – wie „Sinister Street“ und „On Thin Ice“ –, heiratete aber dreimal und war mit seinen Gattinnen offenbar immer sehr glücklich, konvertierte zum Katholizismus, wurde geadelt, machte sich aber trotzdem mit großer Begeisterung über das Britische Empire lustig, wir sehen schon, es nimmt gar kein Ende.
Aber die schottischen Romane! Da zeigt er seine ganze Meisterschaft. Er erzählt irrwitzige Geschichten – wie die auf den Inseln Nord- und Süd-Uist angesiedelte in „Whisky galore“ – auf Deutsch: „Das Whiskyschiff“, wo mitten im Zweiten Weltkrieg ein mit Whisky für die USA beladenes Schiff strandet. Die Inselbewohner, die kriegsbedingt schon längst keinen Whisky mehr haben, sehen ihre Chance. Nur: Es ist die Nacht von Samstag auf Sonntag. Die eine Insel wird bewohnt von strengen Protestanten, die den Sabbath heiligen (das sind die, die auch die Schaukeln am Spielplatz anketten, damit Kinder den Tag des Herrn nicht durch ihr Spiel schänden können), die dürfen natürlich nicht losrudern. Auf der anderen wohnen Katholiken, die dürfen. Sie teilen aber christlich mit den anderen, und vor der englischen Armee, die die Whiskyflaschen wieder einsammeln soll, verstecken sie sie gemeinsam. In der Verfilmung spielt Compton Mackenzie übrigens den Kapitän des gekenterten Schiffes, und es ist ein besonderes Erlebnis, ihn auf der Leinwand zu sehen, wie er schweigend und in sein Schicksal ergeben an Land rudert.
Also, kurz gesagt, er erzählt schottische Geschichten, führt ganz nebenbei ein in die schottische Geschichte und die gälische Sprache, beschönigt durchaus nicht (stellt Schottland nicht dar als Land, das sich immer heldenhaft gegen die Invasoren aus dem Süden gewehrt hätte). Und alles wirkt so aktuell … z.B. die Geschichte in „Rockets galore“, wo auf einer kleinen Hebrideninsel neue Langstreckenraketen aufgestellt werden sollen. Die Inselbewohner sollen aufs Festland übergesiedelt werden, sie wollen nicht, Demos, Petitionen, nichts hilft. Nun heuern sie einen arbeitslosen Biochemiker an, und der mixt einen Farbstoff, durch den Möwen ein rosa Gefieder bekommen. Ein internationaler Proteststurm erhebt sich: Den seltenen rosa Möwen darf ihr Brutgebiet nicht genommen werden! Und die Inselbevölkerung darf bleiben (das ist das Buch, für das ihm im Oberhaus das schöne Kompliment gemacht wurde). Ach, es ist so leicht, ins Schwärmen zu geraten, wenn es um Sir Compton und seine Bücher geht! Oder über sein durch und durch abenteuerliches Leben.
Ich schreibe gerade „111 Gründe, Wales zu lieben“, darin wird es eine Anleitung zur Aussprache walisischer Wörter geben, denn Walisisch, wie Gälisch, steht in dem durch nichts zu rechtfertigenden Ruf, eine schwierige und unaussprechliche Sprache zu sein. So ein Buch würde ich auch gern über Schottland schreiben, aber „111 Gründe, Schottland zu lieben“, gibt es schon, und da werden weder Literatur noch Sprache vorgestellt. Wir sehen, es muß noch sehr viel Aufklärungsarbeit geleistet werden. Ein guter Einstieg: Compton Mackenzie lesen!
Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig