Mein neuer Freund John Glückstadt (der mir übrigens nicht mehr schreibt, hurra), fragte, ob man nicht beim Übersetzen die norwegischen Namen verändern müßte. Also zum Beispiel, solche, in denen ein ø oder ein å vorkommen, sollte man da nicht ö oder aa schreiben? Ich finde natürlich, man soll nicht, ich glaube, die meisten LeserInnen haben doch eine vage Vorstellung davon, daß andere Länder auch andere Namen haben. Und würde er etwa „Sacré Cör“ schreiben? Würde er nicht. Na also.
Aber so einfach ist das alles doch nicht. Früher wurde offenbar mehr angepaßt, ich habe eine alte Ausgabe des berühmten Romans „Quo Vadis“, und auf dem Einband steht „Heinrich Sienkiewicz“, aber seither hat sich doch herumgesprochen, dass der Mann „Henryk“ hieß. Und warum war dem deutschen Publikum „Henrik“ nicht zuzumuten, das viel schwierigere Sienkiewicz aber wohl? „Heinrich Ibsen“ nun wieder steht auf keiner Ausgabe von Ibsens Werken, in seinem Schauspiel „Brand“ kommt ein Mädchen namens Gerd vor, und offenbar hat sich niemand gedrängt gefühlt, da einzugreifen. Andererseits war um 1980 der Roman „Egalias Töchter“ der Norwegerin Gerd Brantenberg auch hierzulande ein Bestseller. Der Verlag bestand darauf, auf dem Cover nur „G. Brantenberg“ zu schreiben, um das Publikum nicht zu verwirren, das bestimmt denken würde, „Gerd“ sei ein Mann. Daß irgendwer gesagt hätte, „Madame, wir können leider nur F. Vargas auf das Buch schreiben, etwas anderes verkraftet das Publikum nicht“, ist dagegen nicht bekannt. Es ist also ein weites Feld mit den Namen.
Ich finde eigentlich, man soll die Namen lassen wie sie sind. Einerseits ist es doch nett, zu erfahren, wie die Leute anderswo heißen, andererseits führen Namensänderungen zu leicht zu Mißverständnissen. Astrid Lindgren zum Beispiel hat in mehreren Büchern eine Hauptperson namens Madicken. Das war dem deutschen Verlag aber offenbar nicht fein genug, deshalb heißt die arme Madicken in den deutschen Übersetzungen ganz unschwedisch Madita. Und es gibt durchaus Mädchen hierzulande, die Madita heißen, weil ihre Eltern diesen vermeintlich schwedischen Namen so schön fanden! Bei Lindgren gibt es auch den frechen Knaben Emil aus Lönneberga. Der heißt auf Deutsch Michel, weil die Leserinnen, blöd wie sie sind, ihn ja sonst mit Erich Kästners Emil verwechseln könnten. (Das habe ich nicht erfunden, das hat Lindgrens Verlag damals so beschlossen.) Daß in Schweden wirklich niemand Michel heißt, wen schert’s …
Die Sache könnte also ganz einfach sein. Namen werden so gelassen, wie sie im Original stehen. Aber immer geht es eben doch nicht, oder vielleicht ginge es doch, und wir bilden uns nur ein, es ginge nicht? Eine Romanfigur habe ich umbenannt. Eine hübsche kleine Frau, ein bißchen sexy, ein bißchen kokett, das, was in älterer Altherrenliteratur als „pikantes Persönchen“ bezeichnet wurde. Ich habe mit der Autorin überlegt, und ich habe Literatur gewälzt, Illustrierte aus den sechziger Jahren, als die Geschichte spielte, wie nannten sich solche Geschöpfe damals? Es war eine Zeit, in der alle für Abkürzungen und Beinamen schwärmten. Und wir stolperten über die Rätselfolge „Gewinne mit Kessi und Jan“. Fall war klar, das pikante Persönchen wurde Kessi getauft. Doch wie hieß sie im Original? Nutte. Das ist ein in Norwegen inzwischen sehr altmodischer Vorname, eine Abkürzung von Kanutta, der weiblichen Form zu Knut. Aber das Wort „Nutte“, norwegisch ausgesprochen, klingt irgendwie niedlich, süß, hilfsbedürftig. Nach einem pikanten Persönchen eben. Wenn ich diesen Namen beibehalten hätte, wäre sie so in den Text eingeführt worden: „Sie hieß Nutte und sah auch so aus.“ Ich glaube, daß in diesem Fall die Namensänderung gar nicht so schlecht war. Oder doch? Ich bin noch immer nicht sicher.
Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig