
Es ist schon ewig her, dass ich hier auf den wunderbaren irischen Autor Micheál Ó Conghaile hingewiesen habe … damit niemand lange suchen muss, ich habe erzählt, dass ich mit Kurzgeschichten von ihm hausieren ging. Und dass es seltsame Reaktionen gab, hier zitiere ich mal:
„Zwei Geschichten von Micheál Ó Conghaile habe ich übersetzt, mit zwei Geschichten ging ich hausieren. Mit der einen habe ich etwas erlebt, das ich nie im Leben erwartet hätte, nicht im Jahre 2014! Antwort einer eigentlich sehr geschätzten Zeitschrift: „Wenn er mal eine Geschichte ohne homosexuelle Problematik schreibt, melden Sie sich bitte wieder.“ Dabei hatte ich beide Geschichten geschickt, und die andere ist ganz harmlos, darin geht es nur um Heroin, aber offenbar hat die schwule Liebesgeschichte der armen Redaktion einen solchen Schrecken eingejagt, dass sie gar nicht weitergelesen haben.“
Die Heroingeschichte ist veröffentlicht worden, die mit der „homosexuellen Problematik“ auch – und nun folgt endlich ein ganzes Buch. Genauer gesagt, das Buch wird in diesem Herbst erscheinen, und es heißt „Die Insel, die unsere war“. Das irische Original heißt „Nollaig Oileánach“, also „Inselweihnachten“, aber der deutsche Titel ist eigentlich viel besser und publikumsfreundlicher. Wer über Inselweihnachten lesen möchte, erfährt hier so oder so eine Menge, wer aber kein Interesse an Inselweihnachten hat und kein Buch mit diesem Titel kaufen würde, kann sich freuen über Schilderungen des Lebens auf einer kleinen Insel, in einer Zeit, die noch nicht lange zurückliegt und doch gewaltig fern wirkt.
Die Insel heißt Inis Treabhair und liegt vor der irischen Westküste. Zu der Zeit, über die Micheál berichtet, gab es dort kein fließendes Wasser (aber einen Brunnen), keinen Strom, keine Kneipe! Wer einen trinken wollte, musste aufs Festland – oder hoffen, dass die Nachbarn einen Vorrat angelegt hatten oder vielleicht heimlich Schnaps brannten. Aber was heißt schon heimlich, einen Polizisten gab es auf der Insel natürlich auch nicht. Inzwischen ist Inis Treabhair entvölkert worden – um 1980 beschloss die irische Regierung, einfach die gesamte verbliebene Inselbevölkerung aufs Festland überzusiedeln. Für die Versorgung mit Strom und Wasser zu sorgen, wäre nämlich sehr viel teurer geworden! Micheál trauert der Vergangenheit nicht nach. Sowie er zum Schulbesuch ins Internat in der Stadt Galway kam (eine Inselschule gab es, aber nur für die ersten fünf Schuljahre), fühlte er sich bei seinen Besuchen zu Hause auf der Insel gefangen und wollte nie wieder irgendwohin, wo er nicht in alle Richtungen fahren könnte, wohin er wollte. Später hat er eine heftige Reisetätigkeit begonnen, aber in diesem Buch werden die Reisen nur kurz angedeutet, er bleibt auf der Insel und dem nächstgelegenen Festland.
Micheál hat einen wunderbaren ausschweifenden Erzählstil. Er will ja über Weihnachten erzählen und legt auch tapfer los, aber schon gibt es einen Grund, irgendeine Anekdote zu erzählen, und schon sind wir bei dem Nachbarn, der im Unabhängigkeitskrieg bei der IRA war, oder vielleicht auch nicht, aber wenn nicht von der IRA, woher hat er dann sein Gewehr? Wir erfahren über Essen, Trinken, Kleidung, Kneipenbesuche auf dem Festland, über den endlich – 1972 – eingerichteten irischsprachigen Radiosender, über Torfstich, Lieblingslektüre und Schweineschlachten. Das mit dem Schweineschlachten ist nicht unbedingt etwas für zarte Nerven, aber so war das Leben auf der Insel, absolut nichts für Weicheier. Davon erzählt also Micheál Ó Conghaile mit viel Humor und tausend Abweichungen, und am Ende fügt er noch einige Weihnachtsgedichte seines Lieblingspoeten Máirtin Ó Direáin an, und so endet sein Buch eben doch gewaltig weihnachtlich.
Micheál Ó Conghaile: Die Insel, die unsere war, Weissbooks, 128 S., 22,00 EUR
Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig