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Meine Abenteuer beim Übersetzen, 4: Ich bekomme Post vom Nachwuchs

BasiliskNachwuchs

Mit Nachwuchs sind hier Leute gemeint, die gern übersetzen wollen. Sie schreiben ziemlich häufig an solche wie mich und bitten um einen guten Rat für den Einstieg, und bisweilen kann ich den geben; es kommt auch vor, daß ich gerade an einem Anthologieprojekt beteiligt bin und eine Geschichte hergeben kann. Das aber nur, wenn ich so ein Gefühl habe: Die (oder der) ist nett und kann was. Dann gibt es die anderen, und von denen gibt es viele.

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Beispiel X

Von X kommt eine Mail, ich sollte jetzt mal sofort die wichtigsten norwegischen Verlage samt „Ansprechpartnern“ nennen, damit X sich über Neuerscheinungen informieren kann. Daß X auf Ansprechpartnerinnen keinen Wert legt, spielte dann keine Rolle, weil ich, was ich selten tue, den Rechner (der ja eigentlich gar nichts dafür konnte) anfauchte: „Bin ich ein Auskunftsbüro, oder was?“ Wenn das magische Wort „bitte“ in der Mail aufgetaucht wäre, hätte ich eine diplomatische Antwort ersonnen. Aber so?

question-mark-96285_1920Beispiel Z

Z bekam also über den Einstieg durch eine Anthologiegeschichte einen Auftrag, ein richtig schöner Roman war zu übersetzen. War Z aber außer sich vor Glück und begriff, was für ein seltener Zufall das war? Nix da, Z jammerte. Nur acht Monate für die Übersetzung, so gehe das doch nicht, was er machen solle? – Übersetzen, sagte ich, acht Monate seien außergewöhnlich lang, er solle doch froh sein. Z war nicht froh. Ob ich meinte, er könnte den Verlag auffordern, ihm mehr Zeit zu geben. Ich meinte eigentlich, Z solle mich jetzt in Ruhe lassen, sagte aber, nein, mit solchen Vorschlägen solle er warten bis zum dritten oder vierten Buch, wenn der Verlag weiß, was er an ihm hat. Z wartete nicht. Der Verlag gab ihm mehr Zeit und dann das nächste Buch des Autors an jemand anderen. Z beklagte sich bitter und verstand die Welt nicht mehr, es sei doch jetzt „sein“ Autor, der ihm da weggenommen wurde, und bloß, weil er auch die verlängerte Frist nicht einhalten konnte?
Nun will Z nicht mehr übersetzen, weil die er einfach nicht auf die ihm gebührende Wertschätzung stößt … Übertrieben? Im Gegenteil! Es kann zudem ungeheuer anstrengend sein, in regelmäßigen Abständen erklären zu müssen, daß ich keine Arbeitsvermittlung bin – und, wie gesagt, kein Auskunftsbüro. In solchen Fällen wünsche ich mir, statt meinen unschuldigen Computer anzubrüllen, einen Basiliskenblick, der den nervigen Möchtegernnachwuchs zu Stein erstarren läßt …

question-mark-96288_1920Beispiel Y

Nun kam also neue Post vom Nachwuchs. Y hat beschlossen, Anglistik zu studieren, möchte dann später Übersetzerin werden, denn ihr Traum ist es, „in einem großen Haus ihr eigenes Büro zu haben, ihre Zeit selbst einzuteilen und interessante Bücher zu übersetzen“. Ja, wer von uns würde das nicht auch gern! Ehe es mit dem Studium losgeht, möchte Y bei mir ein Praktikum machen, was ich denn davon hielte. Ich hielt natürlich gar nichts davon, denn ich wüßte nicht, womit ich eine Praktikantin beschäftigen könnte. Beim einzigen Praktikum meines Lebens, das ich in einem Museum verrichtete, mußte ich vor allem Kaffee kochen und morgens den Teppichboden mit Wasser besprengen, damit die Bücherregale aus Aluminium nicht so sehr elektrisierten. Kaffee koche ich lieber selbst, das ist eine so schöne Verschnaufpause, Teppichbodengießen entfällt mangels Teppichboden und Aluregalen, und die Bücher, die ich übersetze, muß ich schon eigenhändig lesen und übersetzen. Das mit dem Teppichboden habe ich Y nicht erzählt, ich hatte irgendwie das Gefühl, sie würde das überhaupt nicht komisch finden. Stattdessen habe ich geraten, vielleicht zum Englischen noch eine nicht ganz so verbreitete Sprache dazuzunehmen. Aber ich habe offen gesagt, daß ich nicht wüßte, wie ich eine Praktikantin beschäftigen sollte, und daß ich auch gar keinen Platz für eine solche hätte. Die Sache mit dem eigenen Büro in einem großen Haus sollte sie sich also noch einmal überlegen, und wenn sie das unbedingt haben will, sich vielleicht doch einen anderen Beruf suchen.

Hoffnungsvoller Nachwuchs

Solche Briefe also schreibt der hoffnungsvolle Nachwuchs … vermutlich hat unser Schutzpatron St. Hieronymus auch schon solche bekommen und ist deshalb nur noch in Begleitung seines Löwen aus dem Haus oder in seine Schreibstube gegangen, so muß es gewesen sein. Ich bin gespannt, was nach X, Y und Z zum Beispiel Q für Wünsche vorbringen wird!

In diesem Buch finden wir sympathischen und fähigen Nachwuchs, von dem wir bestimmt bald ganze Bücher lesen werden: Maike Barth und Hannah Kleber.

In diesem Buch finden wir sympathischen und fähigen Nachwuchs, von dem wir bestimmt bald ganze Bücher lesen werden: Maike Barth und Hannah Kleber.
Edition Narrenflug – seit Dezember 2018 nur noch antiquarisch oder bei Amazon im Handel.

Abbildungen:

• Das Wiesel und der Baselisk … Marcus Gheeraerts der Ältere, 1567
• Beispiel X … pixabay – OpenClipartVektors
• Beispiel Z und Y … pixabay – geralt

Ein Gastbeitrag zum Thema „Buchherstellung“, Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

Gabriele Haefs hat Volkskunde, Sprachwissenschaft, keltische Sprachen und Skandinavistik studiert, liebt alle Fächer gleichermaßen und springt deshalb beim Übersetzen und Schreiben dazwischen hin und her. Sie wohnt in Hamburg und würde gern noch eine Sprache lernen, aber private Umstände verhindern das zur Zeit.

Ein Gedanke zu „Meine Abenteuer beim Übersetzen, 4: Ich bekomme Post vom Nachwuchs“

  1. Wow, Gabriele! Dieser Artikel ist der absolute Renner, doch alle LeserInnen drücken sich um eine Diskussion. Schade!
    Praktikantenanfragen aus höheren Schulklassen sind mir nicht fremd. Ich hatte trotz meines Einzelarbeitsplatzes über 3 Wochen lang einen klugen jungen Mann um mich herum. Er durfte allerdings neben gestalterischen Aufgaben auch den ganz normalen Geschäftsalltag und -ablauf erfahren.
    In seinem Bericht steht abschließend: „Ich könnte mir den Beruf durchaus vorstellen, aber nicht als freiberuflicher Grafiker, sondern als Angestellter in einer großen Agentur oder ähnlichen. Das Freiberufliche wäre mir persönlich zu unsicher, da man kein festes Gehalt bekommt. Man lebt von Auftrag zu Auftrag … Das Praktikum hat mir auf jeden Fall bei meiner Berufsauswahl geholfen, denn ich habe mir den Beruf des Grafikers schon anders vorgestellt, ich hätte nicht gedacht, dass die Arbeit eines Grafikers mit so viel Vorbereitung verbunden ist.“
    Für diese Reflexion hat er nach meinem Dafürhalten ein „Sehr gut“ verdient – und ich auch 😉

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