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Politische Botschaft versus organische Entwicklung – von Karin Braun

Weit ist es gekommen, seit Enid Blytons Noddy Cap Bücher (zwischen 1949–1963) aus englischen Bibliotheken verbannt wurden, weil man befürchtete, dass der Anblick sich umarmender Jungen, zu einem Ausbruch von Homosexualität führen könnte. Natürlich könnte es auch daran gelegen haben, dass Noddy Cap ein umgangssprachlicher Begriff für Kondome ist.

Bei dem Gedanken, dass eine harmlose Umarmung zweier gleichgeschlechtlicher Wesen soviel Aufregung verursacht, mag man sich gar nicht vorstellen, was ein Bibliothekar, eine Bibliothekarin aus Enid Blytons Zeit beim Lesen heutiger Jugendbücher empfinden müsste.

Nehmen wir zum Beispiel das neueste Werk von Rick Riordan und Mark Oshiro Nico & Will – Reise ins Dunkel (Übersetzerin: Gabriele Haefs). Nico, Sohn des Hades und Will, Sohn des Apollo lieben einander. So schön, so gut. Allerdings reicht es den Autoren nicht, einfach zu schreiben, dass dem so ist, nein, in dieser spannenden Geschichte wird man permanent mit der Botschaft „Sehet her, es ist total okay schwul zu sein“ bombardiert.

Nun ist es natürlich gut, dass heute niemand mehr seine Sexualität, wie immer sie geartet sein mag, verstecken muss. Doch gibt es einen Unterschied zwischen einer politischen Botschaft und einer natürlichen Geschichtsentwicklung. Leider trifft man zurzeit sehr oft auf genannte Botschaft, als wenn es Vorgaben gibt, mindest einen oder eine Transsexuelle, ein schwules Paar und ein oder zwei Lesben in den Neuerscheinungen unterzubringen.

Als ich meinen Roman Tore & Wölfe – ISA schrieb, fiel mir eigentlich erst im Nachhinein auf, dass darin eigentlich nur heterosexuelle Beziehungen vorkommen. Doch war es keine bewusste Entscheidung, sondern die Figuren entwickelten sich einfach so. Ganz im Gegenteil zu der Geschichte, die ich zurzeit schreibe. Auch da habe ich nicht vorher darüber nachgedacht, welche sexuellen Präferenzen meine Protagonistin hat, doch es zeichnete sich sehr schnell ab, dass sie sich eher zu Frauen hingezogen fühlt.

Natürlich verstehe ich, warum Autor:innen und Verlage versuchen, so politisch korrekt wie möglich zu sein. Natürlich ist mir klar, dass sich alle Lesenden in der Diversität der Charaktere wiederfinden sollen. Aber man kann es auch übertreiben! Ein Schreibtipp, den man immer wieder findet, ist: Zeigen statt beschreiben! Warum also nicht einfach in der Interaktion der handelnden Personen zeigen, wie sie ihre Beziehung führen? Letztendlich stehen doch nicht die sexuellen Präferenzen der Personen im Vordergrund, sondern ihre Fähigkeit zu lieben, ihr Verhältnis zur Welt und ihre Art mit Konflikten und Krisen umzugehen.

Karin Braun – Rezensionen

Karin Braun, Tore & Wölfe – ISA, Sept. 2023, tredition

Rick Riordan und Mark Oshiro, Nico & Will – Reise ins Dunkel, Okt. 2023, Carlssen Verlag

Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig


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Evelyn Kuttig

Evelyn Kuttig

Ich arbeite(te) als Grafikdesignerin, Projektmanagerin, Rechercheurin, Redakteurin und Texterin. – Das Blog enthält Berichte aus meinem Arbeitsalltag und Gastbeiträge aus vielfältigen Arbeitsfeldern, die zur Entstehung von Büchern beitragen. – Auch im Ruhestand stehe ich Interessierten mit meinen vielseitigen Kenntnissen und Erfahrungen und psychologischem Gespür immer noch gerne mit Rat und Tat und Empfehlungen zur Seite.

2 Gedanken zu „Politische Botschaft versus organische Entwicklung – von Karin Braun“

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