Ein Standardwerk zum kreativen und literarischen Schreiben heißt „Schreiben in Cafés“. Meine eigenen Schreibanfänge waren jedoch viel prosaischer. Ich habe nicht im Kerzenlicht mit Barockmusik im Hintergrund und einer Tasse Kaffee in der Hand filigrane Handlungsstränge ersonnen. Mein Schreiben verlief eher nach dem Prinzip „quick’n’dirty“: Als Kind gestaltete ich skurrile Familienzeitungen, als Jugendliche sammelte ich Feldnotizen beim Warten auf den Bus und schrieb unbequem auf den Knien hockend auf alles, was ich in meiner Jackentasche fand. Von ranzigen Bierdeckeln über alte Rechnungen bis hin zu Papiertaschentüchern. Als Studentin füllte ich die Seiten paillettenbedeckter Tagebücher aus dem Indienshop. Auf den geheimnisvoll nach Sandelholz riechenden Blättern hielt ich abwechselnd hochphilosophische Gedanken zur Lage der Welt, selbstmitleidige Songtextfetzen über Liebeskummer oder Strukturskizzen für die nächste Linguistik-Hausarbeit fest. Und dann … dann war es vorbei.
Kreatives Schreiben an andere delegiert
Ich hatte mein Referendariat beendet und meine erste Stelle als Lehrerin angetreten. Statt wie wild zu schreiben, korrigierte ich unzählige Klassenarbeiten in Deutsch, Vokabeltests in Englisch und Klausuren auf Spanisch. Das Kreative Schreiben delegierte ich an meine Klassen und Kurse. Ich selbst nahm mir dafür keine Zeit mehr. Im Unterrichtsalltag wurde ich währenddessen immer routinierter, sodass die Vorgänge sich allmählich einschliffen. Eines Tages kam jedoch der Punkt, an dem ich bemerkte, dass in meinem Leben etwas fehlte.
Adiós Papierstau
Und so nahm ich ein Sabbatical und tauschte den Papierstau am Schul-Kopierer gegen ein Glas Rioja am Strand von Las Palmas ein. Mit im Gepäck: ein Autorenvertrag für ein landeskundliches Buch über Spanien. Endlich verließ ich die ausgetretenen Pfade und schrieb wieder. Ich recherchierte mit großer Begeisterung, führte Interviews mit Insidern und erfreute mich an zahlreichen lebendigen Gesprächen. Ich genoss es ebenfalls, meine Erfahrungen und mein neu gewonnenes Wissen anschließend sprachlich so zu gestalten, dass es auch für andere lesenswert wurde. Das Schreiben hatte mich wieder! Ich hatte den Zugang zu dem großen, offenen Raum, in dem alles möglich war, wiedergefunden, konnte meine Gedanken in Worte bannen und sie dadurch mit mir selbst und anderen teilen. Diese Energie setzte weitere Veränderungen in Gang.
Kreativ Schreiben in einer literarischen Schreibgruppe
Zurück in Deutschland fand ich in kürzester Zeit eine Schreibgruppe. Wir trafen uns regelmäßig einmal im Monat, um einander freundliches Feed-Back zu unseren Texten zu geben. Das stete Schreiben und der rege Austausch mit Gleichgesinnten inspirierten mich dazu, eine nebenberufliche Ausbildung zur lizenzierten Schreibberaterin zu absolvieren. Ich wollte nicht nur selbst schreiben, sondern auch andere bei ihren Schreib- und Redeprojekten unterstützen. Im Zusammenhang mit dem Zusatzstudium an der PH Freiburg begann ich darüber hinaus, mit Social Media zu experimentieren. Ich fing an zu bloggen, gab Einzelberatungen und Seminare rund um das Thema besser reden — besser schreiben.
Alles unter einer Feder
Plötzlich passte alles zusammen: Meine Liebe für Sprache und Literatur, mein Faible für Reisen und Fremdsprachen, meine Leidenschaft für das Unterrichten, mein Spaß an der kreativen Selbsterforschung und meine Sehnsucht danach, mich mit anderen Menschen auszutauschen. Mit dem Schreiben als Motor war es mir endlich gelungen, alle diese Aspekte auf dynamische Art und Weise unter eine Feder zu bekommen. Was soll ich sagen? Schreiben verbindet!
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*) Photo by engin akyurt on Unsplash
Ein Beitrag von Sigrun Dahmer zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig