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Wie man ein Weihnachtsbuch herausgibt

Jetzt habe ich ein Weihnachtsbuch zusammengestellt. Naja, nicht allein, mein Mitherausgeber heißt Andreas Brunstermann, und in den Wirren der Herausgeberei konnten wir uns gegenseitig trösten. Es klingt so nett: Wir setzen uns hin, suchen uns Geschichten aus, die uns gefallen, fragen AutorInnen, deren Stil wir mögen, ob sie nicht eine passende Erzählung in der Schublade hätten oder eine schreiben würden, warten ein bißchen, verteilen die Geschichten zum Übersetzen, der Rest macht der Verlag.

Das klingt so nett und einfach, aber so ist es NIE. Leider vergesse ich das immer. Wenn ich so einen Band fertig zusammengestellt habe, gehe  ich beim nächsten mit neuer Begeisterung an die Arbeit und falle abermals aus allen Wolken, wenn es schwierig wird. Aber der Reihe nach.

Dieses Weihnachtsbuch ist leider vergriffen
Dieses Buch hat keine Schwierigkeiten gemacht, die Rechte waren ja frei
Geschichtensammlung von der Übersetzerin aus dem Norwegischen Gabriele Haefs
Das frisch erschienene Weihnachtsbuch

Der Verlag Droemer Knaur fragte, ob wir ein skandinavisches Weihnachtsbuch machen könnten. Nichts leichter als das, sagten wir. Machten eine Liste: Wer muß rein (Selma Lagerlöf, Hans Christian Andersen), wer sollte rein (mir egal, ob Henning Mankell in unserem Buch vertreten ist, aber für den Verkauf ist es jedenfalls nicht schlecht), wen wollen wir. Ich finde immer, die Anthologie ist gut gelungen, wenn am Ende jemand vom entsprechenden Literaturbüro sagt: „Wer ist denn das? Nie von gehört!“ (Alle skandinavischen Länder haben Literaturbüros, die die Literatur dieses Landes im Ausland fördern sollen). Und dann muß noch mindestens eine Geschichte von einer ganz neuen Übersetzerin oder einem neuen Übersetzer dabei sein.

Als auf unserer Liste stand, wer im Buch sein muß und wer drin sein sollte, wandten wir uns denen zu, die wir haben wollten. Und bekamen bisher unveröffentlichte Geschichten von Lieblingen wie Levi Henriksen und Ingvar Ambjørnsen. Anette Sørensen Habel (bekannt aus diesem Blog) schrieb eine ganz neue, unser Fundus wuchs und wurde immer schöner … und dann kam das böse Erwachen. Der Länderproporz stimmte nicht. Keine Geschichte von den Färöern! Und nicht einmal Nachfragen bei färöischen Verlagen und beim dortigen Schriftstellerverband halfen weiter. Wir bekamen durchaus Erzählungen zugesandt, alle wahnsinnig düster und deprimierend, aber dennoch sehr unterschiedlich: Sie hatten nur die eine Gemeinsamkeit, daß sie einfach rein gar nichts mit Weihnachten zu tun hatten. Ein isländischer Autor, der eine Geschichte versprochen hatte, hatte jeden Monat eine neue schöne Erklärung, warum er noch immer keine Zeile zu Papier gebracht hatte. Ein dänischer Autor, der anfangs begeistert war von unserer Anfrage, beschloß plötzlich, er wollte doch nicht mitmachen, seine schöne Geschichte sollte als reichbebilderter Prachtband erscheinen. Daß sein deutscher Verlag das durchaus nicht wollte, war ihm egal, daß die Geschichte schon fertig übersetzt war und das Buch zwei Tage später in Druck gehen sollte, noch viel mehr. Eine dänische Autorin schickte uns eine sehr schöne Erzählung und schrieb dazu, alles Vertragliche müsse ihre Agentin regeln. Wenn’s weiter nichts ist, dachten wir, aber die Agentin wußte nichts von dieser Geschichte und wollte erst einmal wissen, wo und wann die erschienen sei. Dann fand sie das Honorar zu gering und wollte mal eben pro Seite das Doppelte, was Mankells Agentur haben wollte (und die hatte immerhin eine Geschichte besorgt und hergeschickt, während die dänische Agentin keinen Finger gerührt hatte). In solchen Fällen muß in aller Eile Ersatz beschafft werden. Wenn das nicht geht, wird diplomatische Kunst aufgewandt. Ersatz gibt es eigentlich immer, aber manchmal reicht die Zeit nicht, um noch etwas zu übersetzen, dann muß irgendein alter Text ausgegraben werden. Also fingen wir hektisch an zu wühlen. Und es kommt vor, daß gerade die Geschichte, wo der Autor plötzlich spinnt oder die Agentur Wucherpreise verlangt, die erste Übersetzung von einem Nachwuchstalent ist. Das geht einfach nicht, wir wissen noch verdammt gut, wie man der ersten gedruckten Übersetzung entgegenfiebert, und wie wichtig die ist, um bei neuen Verlagen vorstellig zu werden. Folglich müssen Menschen- und Engelszungen ausgerollt und eingesetzt werden, um Autor oder Agentur zur Vernunft zu bringen.

Kleinigkeiten, wie dass die Hälfte der AutorInnen den Vertrag nicht zurückschickt, weil sie ihn ganz einfach verschusselt haben, das Buch aber erst gedruckt werden kann, wenn alle Verträge beim Verlag vorliegen, wollen wir hier gar nicht erwähnen.

Es war heißer Hochsommer, als unser stimmungsvolles Weihnachtsbuch in Druck ging. Nie wieder eine Anthologie, schwor ich mir, nie wieder! Jetzt schneit es, irgendwann zwischen Hitze und Schnee und jetzt ging der gute Vorsatz verloren, ich ertappe mich dauernd dabei, wie ich in Gedanken neue Anthologien zusammenstelle. Fehlen nur noch ungefähr zwei Dutzend Verlage für diese schönen Projekte zu verschiedenen Themen. Ich hoffe auf 2018. Aber erst mal

Gledelig Jul
God Jul
Gleðelig Jól
Hyvää Joulaa
Gleðilig Jól

 

Ein Beitrag zum Thema „Buchherstellung“, Schwarzaufweiss Evelyn Kuttig


Ich freue mich, wenn Sie diesen Beitrag weitersagen:
Gabriele Haefs

Gabriele Haefs

Gabriele Haefs hat Volkskunde, Sprachwissenschaft, keltische Sprachen und Skandinavistik studiert, liebt alle Fächer gleichermaßen und springt deshalb beim Übersetzen und Schreiben dazwischen hin und her. Sie wohnt in Hamburg und würde gern noch eine Sprache lernen, aber private Umstände verhindern das zur Zeit.

2 Gedanken zu „Wie man ein Weihnachtsbuch herausgibt“

    1. Ich werde am kommenden Sonntag einigen der Geschichten in der dänischen Seefahrerkirche in Hamburg lauschen, die Gabriele Haefs und Anette Sørensen Habel vortragen werden. Die Kirche, unweit vom Michel, lerne ich dann auch erst kennen. Und unter den ZuhörerInnen wird noch Karin Braun sein, die auch auf meinem Blog schreibt 🙂

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